Kölner Kammerorchester

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Datum: 24.05.2016

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Höchst reizvolle Zerreißprobe

KLASSIK Das Kölner Kammerorchester in der Philharmonie

"Tempora mutantur" ("Die Zeiten wandeln sich") schrieb Joseph Haydn auf den Stimmensatz seiner Sinfonie A-Dur Hob. I:64 aus dem Jahre 1772. Schwer zu sagen, ob dies nun ein musikalisches Programm sein sollte oder eher ein Stoßseufzer aus den Nachwehen der Midlife Crisis war. Deutlich hörbar ist indes Haydns Konzept einer bedrohlich aus dem Leim gehenden musikalischen Form, in der Verläufe abbrechen und Phrasen versickern, Auflösungen verweigert und Symmetrien unterlaufen werden.

Für alle, die dieses Krisenszenarium nicht wahrnehmen möchten, stellt der Komponist freilich weiterhin eine Fassade heiterer Grazie zur Verfügung. Das exzellent disponierte Kölner Kammerorchester hob diese Doppelgesichtigkeit der Musik in der Philharmonie anschaulich hervor. Chefdirigent Christoph Poppen machte besonders den langsamen Satz mit seinen regelwidrigen Zäsuren zu einer höchst reizvollen Zerreißprobe für Linie und Periodenstruktur.

Romantische Stimmungsmalerei

Hier der kühne, widerspruchsfreudige Geist der Aufklärung, dort die geschmeidige Anmut des Rokoko: In Mozarts Andante C-Dur KV 315 nahm Henrik Wiese, Solo-Flötist im Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunk, allein schon durch die suggestive Schönheit seines Tons gefangen, der weich und zugleich glasklar fokussiert über dem Orchester schwebte. Dass der Maestro das schöne Stück mit seiner bezaubernden Klangpoesie sanft in Richtung romantischer Stimmungsmalerei bewegte, werden nur hartherzige Puristen monieren.

Eine internationale Kapazität ist auch die tschechische Harfenistin Jana Bousková, die dem Flötisten in Mozarts Doppelkonzert C-Dur KV 299 mit trennscharfem, akzentfreudigem Spiel Widerpart bot. Debussys Tänze für Harfe und Streicher, so klangschön und elegant sie auch gespielt waren, wirkten im Umfeld dieser pointenreichen klassischen Klangrede unweigerlich ein wenig blass. Dagegen konnte sich die Jugendsinfonie h-Moll des 14-jährigen Felix Mendelssohn Bartholdy sehr wohl gegen die umgebenden Meisterwerke behaupten.

Die Kölner Streicher brachten die auch in den Mittelstimmen erstaunlich fein gearbeitete Textur des Stückes gestenreich zum Vorschein. Überhaupt waltete bei diesem letzten Konzert der aktuellen "Meisterwerk"-Reihe ein einnehmender, lebendiger Musiziergeist, der den ganzen Abend zum ungetrübten Vergnügen machte.

(Stefan Rütter, Kölner Stadt-Anzeiger, 24. Mai 2016)