Kölner Kammerorchester

Nachrichten

Datum: 02.11.2016

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Zauber aus der Ferne

Kammerorchester in der Philharmonie

Dem Flügel im Philharmoniekonzert des Kölner Kammerorchesters hatte jemand ein Podest untergebaut, um die Tastatur in griffgerechte Höhe zu verschieben. Schon im Vorfeld munkelten nämlich Stimmen: "Der Pianist spielt im Stehen." Warum, weiß Francesco Tristano, Weltbürger aus Luxemburg mit Wohnsitz in Barcelona, nur selbst. Es hat wohl damit zu tun, dass er sich beim Musizieren wie ein DJ fühlt und entsprechende Grooves auch körperlich abbildet: Rhythmen in den schnellen Seitensätzen von einigen Klavierkonzerten von Johann Sebastian Bach.

Das Kölner Kammerorchester hatte sich diesen bunten Vogel, ganz in Schwarz, eingefangen. Ihm oblag auch die Leitung des kleinen Streichorchesters, was sich allerdings auf einige Blicke durch die Lockentolle beschränkte, mehr zur Kontrolle, dass auch alle freudig mitmachen. Am überraschendsten an diesem ungewohnten Konzept war der leise Klang des entdeckelten Flügels, eigentlich ein klangvolles Instrument.

Gleichmäßig arbeitende Pianistenfinger

Diesen überstrichen die Kölner Streicher mühelos. Dabei gefielen die mechanisch gleichmäßig arbeitenden Pianistenfinger, meist im Mezzoforte verharrend, selten terrassendynamisch aufdrehend und niemals revolutionär ausscherend bei Bachs Themen und Verarbeitungen. Klavierspielen kann der Mittdreißiger, und er kennt seinen Bach im Schlaf. Tristano vermutet vielleicht im Thomaskantor den ersten Techno-Opa und Vordenker der Minimal Music, dem er deshalb in der Freiheit einer Kadenz in BWV 1041 pedalgeschwängerte Arpeggi als meditative Auszeit verordnet und in BWV 1055 Minimal-Anklänge mit minimalem Anspruch als gedanklichen Stillstand verabreicht.  Besonders nach der improvisierten Kadenz zu BWV 1052, wo der Kontrast zu den Vivaldi-haften Dauerläufen so sinnig erschien, war das Publikum enthusiasmiert.

Für zwei Episoden aus dem Werk Henry Purcells ohne Klavier leitete nun Konzertmeisterin Zuzana Schmitz-Kulanova das ebenfalls - wenn möglich - stehende Kammerorchester, das jetzt große Oper spielen durfte. Nach einer Ouvertüre wie ein Herbstwind wurde ein Triumphtanz aus "Dido and Aeneas" schwungvoll inszeniert. Ein Echo tönte durch die geöffneten Türen des Künstlerfoyers, Hexenzauber aus der Ferne, Abflug mit krachendem Donnerblech. Das Publikum war begeistert.

(Olaf Weiden, Kölnische Rundschau, 1. November 2016)