Kölner Kammerorchester

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Datum: 20.02.2018

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Was im Fiat so alles drinsteckt

KLASSIK Kölner Kammerorchester mit der Haydn-Oper "Lo Speziale"

Ein falscher beziehungsweise als solcher verkleideter Notar, der sich an einem Betrugsmanöver beteiligt? Da kommt man spontan auf Mozarts "Cosi fan tutte". In Haydns Buffa "Lo Speziale" (Der Apotheker) von 1768, wo dem alternden Sonderling zwei Liebhaber sein von ihm selbst begehrtes schönes Mündel abspenstig machen wollen, gibt es den aber auch, sogar zwei davon. So verblüffend, wie sie scheint, ist diese Motivverwandschaft indes gar nicht: Falsche Notare gehören zum Figurenarsenal der Comedia dell'arte, aus deren Traditionen beide Klassiker für ihre Opern Honig saugten - Haydn, insofern sein Libretto auf Goldoni zurückgeht, sogar noch mehr als der jüngere Kollege

Im Unterschied zur "Cosi" ist "Der Apotheker" selbst Klassik-Kennern kaum ein Begriff. Da war es verdienstvoll, dass das Kölner Kammerorchester unter seinem niederländischen Gastdirigenten Jan Willem de Vriend das Werk jetzt in halbszenischer Produktion auf das Podium der Philharmonie brachte (auf Italienisch mit deutschen Übertiteln). Und siehe da: Entgegen einem verbreiteten Vorurteil ist der Opern-Haydn, wenn man es richtig anpackt, durchaus lebensfähig, entfaltet seinen ganz eigenen Witz und Charme. Man muss ihn ja nicht immerfort mit Mozart vergleichen.

Das Ganze lässt sich vielversprechend an: Auf dem Podium hat die Regisseurin Eva Buchmann einen alten Fiat platziert, der sich als die mobile Apotheke der Titelfigur herausstellt. Erstaunlich, was in das Gefährt so alles reinpasst - nicht nur Arzneibehälter, sondern sogar eine Waschmaschine und eine Duschvorrichtung. Und für die Figuren ist im Innenraum selbstredend auch noch Platz.

Es ist recht amüsant, was sich um den Fiat herum begibt. Indes kann das Bühnengeschehen seine burlesken Qualitäten einstweilen noch nicht vollends auslseben, es wirkt gebremst, kommt nicht richtig in Schwung. Man ist schon geneigt mit den Achseln zu zucken, da reißen der zweite und dritte Akt nach der Pause nicht alles, aber doch vieles heraus. Der Apotheker Sempronio (Piotr Micinski) in gestreiftem Badeanzug unter der Dusche - das ist ziemlich lustig, generiert den Lacherfolg frei Haus.

Hier entwickeln die vier Darsteller in Abstufung dann einiges komödiantisches Talent. Das ist auch insofern nötig, als die angenehmen Stimmen - neben Micinski Alvaro Zambrano als Mengone und Virpi Räisänen als Volpino  - Durchsetzungsdefizite haben, es an Biss und Power fehlen lassen und in mittlerer und tiefer Lage kaum über das Orchester in die Weite des Raumes kommen. Auzunehmen von dieser Kritik ist Marina Zyatkova als Mündel Griletta - sie bezaubert mit schöner, aber eben auch potenter Soubrettenleichtigkeit.

Dirigent de Vriend war vor dem rechts auf dem Podium postierten Orchester hochengagiert bei der Sache, ließ auch etliche musikdramatische Leuchtkerzen abbrennen. Freilich musste das Ensemble sich erst mit der ungewohnten Materie zurechtfinden - es ist halt kein "geborenes" Opernorchester. Die Koordination mit der Bühne funktionierte jedenfalls nicht reibungslos, und gellende Hörner, leicht verwackelte Einsätze und Einwürfe sowie eine tendenziell zu laute Performance taten das Ihre, das Hörvergnügen zu limitieren. Vielleicht hätte die eine oder andere zusätzliche Probe der Sache gutgetan - an welchen Gelegenheiten es in der  freien Szene ja leider oft genug mangelt.

(Markus Schwering) Kölner Stadt Anzeiger vom 20. Februar 2018