Kölner Kammerorchester

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Datum: 02.07.2014

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Maria João Pires im Interview mit Markus Schwering
Kölner Stadt-Anzeiger, Mittwoch 2. Juli 2014

Frau Pires, Sie spielen an diesem Mittwoch mit dem Kölner Kammerorchester in der Philharmonie Mozarts Klavierkonzert KV 466. Vor drei Jahren wollten Sie eigentlich ein anderes Mozart-Konzert machen, mussten aber in der öffentlichen Probe dann doch aufgrund eines Absprachefehlers ad hoc just dieses Werk spielen. Der klassische Albtraum eines jeden Pianisten...

Maria Joao Pires: Ach nein, so schlimm war es nicht. Ich habe etwa 15 Konzerte im Kopf, und KV 466 gehört dazu. Ich hatte es zuletzt zehn Monate zuvor gespielt. Eine lange Zeit, mag man denken. Aber wenn man in dem Werk "drin" ist, spielt das keine Rolle.

KV 466 ist das erste von zwei Mozart-Klavierkonzerten in Moll. Ihre Beziehung zu dem Stück?

Pires: Es ist wirklich exzeptionell – weil schon viel Beethoven drin steckt. Was mir sehr liegt, meine Schwerpunkte sind ja Beethoven und die Romantiker. Und nicht von ungefähr hat Beethoven Kadenzen zu dem Werk geschrieben.

Viele empfinden das Werk als düster, dämonisch, negativ...

Pires: Ich nicht. Die Empfindung ist viel tiefer, intensiver als in anderen Mozart-Konzerten, das stimmt. Es ist eine andere Farbe, ein anderer Stil. Aber es ist so schwer, Musik zu beschreiben. Wörter sind ungenau und oberflächlich. Man kann auch viel analysieren und herauskriegen, aber man wird nicht an den Kern der Musik herankommen.

Sie haben dieses Konzert vor langer Zeit eingespielt. Hören Sie sich Ihre Aufnahmen schon mal an?

Pires: Nein, weder die alten noch die neuen. Ich habe keine Zeit dafür, und es ist auch nicht so angenehm – ich müsste dann viel kritisieren. Ich höre andere Aufnahmen – von den jungen und vor allem von den alten Kollegen...

Wilhelm Kempff zum Beispiel..

Pires: Den auf alle Fälle.

Hat sich die Art, wie Sie etwa das Mozart-Konzert spielen, aus Ihrer Sicht über die Jahre verändert?

Pires: Na ja, es ist beides: Man entwickelt sich, und vieles bleibt doch dasselbe. Die Beziehung zum Stück verändert sich kaum oder nur in Einzelheiten: Man verändert eine Phrasierung, hört einen Kontrapunkt anders aus. Es verändert sich aber etwas anderes: Wenn man jung ist, hat man die Tendenz, mehr von sich selbst mitzuteilen. Im Alter nimmt man sich zurück. Obwohl ich schon als junge Frau gedacht habe: Als Interpret soll man sich nicht selbst spielen, sondern die Noten respektieren. So findet man den Weg zum Stück, zum Komponisten.

Wenn Sie aufs Podium kommen, wirken Sie scheu, in sich gekehrt. Spielen Sie nicht gern vor Publikum?

Pires: Vielleicht spiele ich nicht so gerne öffentlich. Obwohl: Wenn ich dann auf dem Podium sitze, genieße ich das schon. Vor allem sehe ich das Publikum als Teil des musikalischen Vorgangs an.  Und ich bekomme gerne einen freundlichen Kontakt zu ihm. Was ich denke: Der Interpret hat im vergangenen Jahrhundert zu viel Platz für sich selbst beansprucht. Deshalb sieht es vielleicht so aus, als würde ich mich zurückziehen. Tatsächlich sind wir Spieler nicht so wichtig. Ohne uns geht es nicht, aber was zählt, ist die Musik.

Sie haben als Portugiesin ein starke Beziehung zur deutschen Musik...

Pires: Und zu Deutschland überhaupt. Hier hat meine Erziehung stattgefunden. Allerdings: Ich hatte schon eine große Leidenschaft für die deutsche Musik, bevor ich, mit 17, nach Deutschland kam. Die Eigenheit dieser Musik aber ist, wieder einmal, schwer zu beschreiben. Und die Wiener Musik ist etwas ganz Eigenes. Ist die deutsch?

Sie sind vor einigen Jahren von Europa nach Brasilien umgezogen, nach Salvador da Bahia. Warum?

Pires: Ich musste mich zurückziehen, weil ich in Portugal eine ganz schwere Erfahrung gemacht hatte. Ich hatte da ein soziales Projekt, ein Lebensprojekt, das kaputtgemacht wurde. Ich war richtig down und musste einfach weg - obwohl es schwierig war mit den Konzertreisen nach Europa. Aber es hat mir sehr gut getan. Doch jetzt lebe ich wieder in Brüssel, in der Nähe meiner Kinder und Enkel.